Der Verein Chance e.V. blickt im Jahr 2019 auf sein 25jähriges Bestehen zurück, und damit auf 25 Jahre Unterstützung und Inobhutnahme von Mädchen, deren Eltern entweder verstorben oder nicht in der Lage sind, sich um ihre Kinder zu kümmern.
Eine Rundreise durch Sri Lanka ist etwas Besonderes – ein Einblick vor Ort in die Arbeit des Alsbacher Vereins Chance (und der Norwegischen Organisation Marys Friends) gibt der Reise noch eine ganz andere Dimension.
Der Verein Chance e.V. blickt im Jahr 2019 auf sein 25jähriges Bestehen zurück, und damit auf 25 Jahre Unterstützung und Inobhutnahme von Mädchen, deren Eltern entweder verstorben oder nicht in der Lage sind, sich um ihre Kinder zu kümmern. In der 14-köpfigen Reisegruppe befanden sich „alte Hasen“, aber auch ein paar Neulinge. Alle waren gespannt und freuten sich auf drei Wochen Eintauchen in eine andere Welt.
Unsere erste Station war das Mount Madonna Girls Home in Wahakotte. Der Empfang war herzlich, ein Tisch gedeckt für die Gäste mit einheimischen Spezialitäten – aber noch keine Kinder in Sicht. Wir übergaben unser mitgebrachtes Obst und Gemüse, ein Stand unterwegs wurde ausgewählt und unter den gestrengen Augen unseres Reiseführers wanderten jede Menge bekannte und uns unbekannte Obst- und Gemüsesorten in große Tüten. Nachdem wir uns gestärkt hatten, machten wir einen Rundgang durch die Räumlichkeiten. Vor kurzem waren die neuen Matratzen für die Schlafräume geliefert worden, wir besichtigten die Küche, die Waschgelegenheiten, Toiletten aber auch die Schreibtische für den Nachmittagsunterricht und den Computerraum. Allerdings waren die PC’s gerade außer Haus, weil sie gewartet wurden. Danach sollten wir endlich die Mädchen kennen lernen. Sie sorgten mit einer Tanzvorführung im Garten für eine Überraschung. Wir sahen in freudige Gesichter, teilweise noch etwas scheu und zurückhaltend, das sollte sich aber im Laufe des Nachmittags ändern. Zunächst wurden wir wieder ins Haus gebeten, um dort die Tanzvorführungen der verschiedenen Altersstufen zu erleben. In tollen selbst gestalteten Kostümen zeigten die Mädchen, was sie für uns vorbereitet hatten und darauf konnten sie durchaus stolz sein. Das sollten wir noch öfter erleben, diese Mädchen haben ein Bewegungstalent, mir scheint, sie können erst tanzen und lernen dann erst laufen. Nach dem Ende der Vorführungen waren wir Besucher an der Reihe. Die Kommunikation in Englisch war noch etwas schwierig, aber beim Tanzen braucht man keine Worte und so wurden wir in die Bewegungen mit eingebunden. Die Mädchen hatten ihre Freude daran. Wir bemühten uns redlich und kamen bei 33 Grad ganz schön ins Schwitzen. Im Hintergrund liefen derweil die Gespräche mit der Heimleitung über die Entwicklung der Kinder im vergangenen Jahr, ihre schulischen und sozialen Kompetenzen, besondere Fördermaßnahmen usw. Schließlich muss der Verein ja einmal im Jahr Rechenschaft über seine Tätigkeiten ablegen. Dann ging es an die Übergabe der Geschenke. Die Paten hatten Geschenke mitgegeben, die nun von Brigitte überreicht wurden. Wieder freudige Gesichter und Lächeln in die Kameras, alles wurde festgehalten. Ein großer Tisch mit den Spenden der Sponsoren wurde hergerichtet, viele nützliche Dinge waren zusammengekommen. Hier durften die Mädchen sich etwas aussuchen. Danach gab es noch ein gemeinschaftliches Foto im Garten des Heims und dann hieß es auch schon Abschied nehmen. Alle Mädchen winkten zum Abschied, es war ein eindrucksvoller Nachmittag. Ein paar Tage später besuchten wir von Hikkaduwa aus dem nächsten Standort: Childrens Corner Orphanage in Ambalangoda. Auch hier gab es wieder ein besonderes Jubiläum zu feiern: seit 15 Jahren ist dieses Heim in Betrieb, unterstützt von Chance Alsbach und Marys Friends Norwegen. Anlässlich des Jubiläums war auch Tom Hendschien mit seiner Frau und einer kleinen Delegation aus Norwegen angereist. Zurzeit sind 18 Mädchen zwischen 6 und 20 Jahren hier untergebracht. Die Mädchen waren zunächst noch in der Schule, so dass wir erst einmal einen Rundgang durch Haus und Garten unternahmen. Es machte alles einen sehr gepflegten Eindruck. Die Termitenplage, mit der man vor zwei Jahren zu kämpfen hatte, gibt es nicht mehr. Die eingebauten Termitenfallen haben das Problem gelöst, und durch ständige Kontrolle wird auch dafür Sorge getragen, dass hier kein Befall mehr vorkommt. Eine kleine Stärkung hatte die Heimleitung auch für uns vorbereitet. Mittlerweile waren auch die Mädchen gekommen, der eigene Kleinbus hatte sie von der Schule abgeholt. Sie brauchten noch ein wenig Zeit, um sich umzuziehen, denn wie konnte es anders sein, sie wollten uns ebenfalls ihre einstudierten Tänze zeigen. Die farbenfrohen Kostüme waren natürlich selbst genäht und sicher hatten sie viel Arbeit in das Einüben der Tänze gesteckt. Außerdem gab es noch eine Gesangseinlage und wir staunten, mit wie viel Hingabe und Begeisterung die Mädchen bei der Sache waren. Unser Beitrag zur Gestaltung des Nachmittags war ebenfalls eine kleine Gesangseinlage. Wir hatten in den letzten Tagen ein wenig geübt und trauten uns mit drei kleinen Liedern auf die „Bühne“. Schließlich animierten wir die Mädchen zum Mitmachen, die ließen sich das nicht zweimal sagen. Das gemeinsame Tanzen durfte natürlich auch nicht fehlen, was wieder eine schweißtreibende Angelegenheit wurde. Nur Brigitte und Tom blieben verschont. Sie führten mit der Heimleitung die Gespräche über den Verlauf des vergangenen Jahres.
Wir hatten aber noch eine andere Überraschung für die Kinder. Anlässlich des Jubiläums hatten wir am Tag vorher in einer Mondsteinmine für jedes Mädchen einen kleinen Mondsteinanhänger mit einem Silberkettchen gekauft. Diese wurden den Mädchen von Brigitte überreicht und natürlich gleich anprobiert. Dann gab es die Geschenke der Paten und auch hier wieder einen Tisch mit den gesponserten Mitbringseln. Dann erfolgte der Anschnitt der Jubiläumstorte und jeder durfte ein Stück probieren. Es war ein schönes gemeinsames Erlebnis; auch hier wieder lächelnde Gesichter und viel Fröhlichkeit. Noch ein gemeinsames Foto, dann hieß es wieder Abschied nehmen. Hier muss einmal unser Busfahrer erwähnt werden. Die Zufahrt zum C.C.O. ist eng, sehr eng. Der Bus war nicht gerade klein. Trotzdem hat der Fahrer es geschafft, bis in den Hof zu fahren, irgendwie zu drehen und dann auch wieder raus zu fahren. Unglaublich. Er hat uns an mehreren Stellen mit seiner Fahrkunst überrascht. Außerdem fuhr er sicher und mit viel Übersicht, während uns schon beim Hinsehen anlässlich des chaotischen Verkehrs auf den Straßen graue Haare wuchsen.
Unsere letzte Station, das Good Shepard Institute of Vocational Education (GSIVE), vormals Career Development Center, besuchten wir von Negombo aus. Es sollte der Höhepunkt unserer Reise werden, was die Vorführungen der Mädchen betrifft. Aber der Reihe nach. Auch hier wieder ein Jubiläum: 10 Jahre GSIVE. Diesmal gab es einen Hinweis zur Kleiderordnung, schließlich nahmen wir an einer Abschlusszeremonie mit Zeugnisübergabe teil. Unser Bus brachte uns in die Lokalität, wo wir mit Eltern, Verwandten und Freunden, den Absolventinnen, vielen Schwestern des Convents und den Mitarbeitern des Büros in Colombo im Zuschauerraum Platz nahmen. Auch Dilini, eine Ehemalige, und Sohan waren gekommen. Sie hatten 2017 geheiratet und im Oktober 2018 ihr erstes Kind bekommen.
Zunächst wurde traditionell die Öllampe angezündet, Danach wurden Reden gehalten, Worte des Dankes und der Freude. Durchs Programm führte eine ehemalige Schülerin in bestem Englisch. Dazwischen gab es immer wieder Tanzeinlagen mit tollen Kostümen und man musste sich bewusst machen, dass hier Laien auf der Bühne standen. Es war unglaublich, mit welcher Professionalität die Mädchen sich bewegten. Und wenn man bedenkt, dass alle Kostüme selbst genäht waren, kann man sich vorstellen, was die Mädchen neben der Schule in den letzten Wochen und wahrscheinlich Monaten geleistet haben. Vielleicht ist das der Beruf, der für die eine oder andere eine Zukunft darstellt. Die Absolventinnen erhielten ihre Zeugnisse für ihre erfolgreiche Teilnahme an den berufsvorbereitenden Kursen. Die einzelnen Sparten sollten wir später noch kennen lernen. Sie kamen einzeln auf die Bühne und waren eine Augenweide in ihren selbst genähten farbenprächtigen Saris. Ein weiterer Programmpunkt war der Auftritt eines norwegischen Chores, der mit englischen und norwegischen Liedern zum Gelingen der Veranstaltung beitrug. Mit dem Dank an Helfer und Spender und der Nationalhymne wurde das Programm beendet.
Nun fuhren wir mit dem Bus nach Seth Sevana, wo die Mädchen des jetzigen Jahrgangs ein Essen für uns zubereitet hatten. Ein anschließender Rundgang durch das Schulungsgelände folgte und wurde von den Schülerinnen begleitet. In den Sparten Computer/Informatik, Kochen, Backen, Nähen, Friseur, Maniküre/Pediküre, Massage können die Mädchen berufsvorbereitende Kurse belegen und sich so weiter für einen Beruf qualifizieren. Eine Ausbildungszeit im Beruf, so wie wir sie in Deutschland kennen, gibt es in Sri Lanka nicht, aber die Absolventinnen von GSIVE haben gute Chancen, in einem dieser Berufe Fuß zu fassen. Der nächste Programmpunkt war die Einweihung der neuen Küche, die nun die alte ergänzt. Die alte Küche wird nunmehr für die Bäckerei genutzt, die neue Küche, die vom Lions Club, Frankfurt gesponsert wurde, wird nun zum Kochen benutzt.
Jetzt war Entspannung angesagt. Die Mädchen wollten zeigen, was sie gelernt hatten, und boten Kopf- und Fußmassage, Maniküre und Haarschnitt an, was von den Gästen natürlich gerne in Anspruch genommen wurde.
Mit vielen neuen Eindrücken kehrten wir am späten Nachmittag in unser Hotel in Negombo zurück.
Mein Fazit: Ich möchte diese Reise nicht missen. Ich habe eine für mich völlig andere Welt erlebt, die ich bisher noch nicht kannte. Ich habe einerseits unglaubliche Armut und andererseits freundliche unkomplizierte Menschen gesehen. Menschen, die in Lehmhütten wohnen und nur das notwendigste zum Leben haben. Aber auch Menschen, die reich und gebildet sind und in vornehmen Häusern ihr Leben verbringen. Die Mädchen in den Heimen wachsen in einer behüteten Atmosphäre auf, sie gehen zur Schule und werden hierbei auf bestmögliche Weise unterstützt. Sie erhalten Wertschätzung, fachliche und soziale Kompetenzen, die für ein selbständiges und selbstbestimmtes Leben von Nutzen sein können. Schließlich haben die meisten von ihnen als kleine Kinder schwere Schicksalsschläge hinnehmen müssen. Sie leben nicht im Überfluss, doch haben sie ein Dach über dem Kopf, für ausreichend Essen wird gesorgt und sie erhalten eine Schulbildung. Die berufsvorbereitenden Maßnahmen in Seth Sevana runden die gesamte Betreuung ab und man kann nur hoffen, dass die Mädchen ihre Chancen nutzen und den Sprung ins Berufsleben schaffen. An Motivation scheint es den Mädchen nicht zu fehlen. Im Haus hingen zahlreiche Plakate mit Aussagen zu einem freundlichen Miteinander, respektvollem Umgang, Entwicklung der Persönlichkeit, Lernen für sich selbst usw. Eines davon sprang mir ins Auge: „If you’re not willing to learn, no one can help you, if you’re determined to learn, no one can stop you.“
Wie aus Gesprächen hervorging, haben nicht wenige der Absolventinnen ein Studium begonnen oder sind bereits berufstätig. Es wäre schön, wenn möglichst viele von ihnen während dieser Zeit den Grundstein für ihre zukünftige Berufstätigkeit legen könnten. Und vielleicht hilft all das auch ein bisschen dabei, die Emanzipation der Frauen auf Sri Lanka ein Stück weit voran zu bringen. Ich würde mir wünschen, dass diese Unterstützung auch in Zukunft fortgesetzt werden kann.
Christiane Rohlfing